KAPITEL 6: DER KRÖNENDE ABSCHLUSS
Nach einigen Tagen Self-Drive Safari im Kruger gab es für uns anschliessend einen Ortswechsel. Für zwei Nächte verschoben wir an die Panorama Route, um auch dort unsere Highlights der Family zu präsentieren. Wir übernachteten im Lush Guest-House, welches ein bisschen spezielle, aber solide Zimmer (ehemalige Garagenplätze) in einem hübsch angelegten Garten anbietet. Über die tollen Aussichtspunkte und Highlights in den nördlichen Drakensbergen haben wir bereits öfter berichtet - wir waren schon etliche Male dort und geniessen es trotzdem jedes Mal wieder, seien es die Lisbon Falls, die Bourke Luck Potholes, das «God’s Window» mit dem Bergregenwald, der neuere Graskop Gorge Lift mit dem tollen Pfad im Urwald oder natürlich die diversen Aussichtspunkte rund um den Blyde River Canyon und die «Three Rondavels».
Was wir dieses Mal noch extra mit auf das Programm nahmen, war eine für den ersten Morgen geplante Wanderung im Blyde River Canyon, mit Start ab dem Forever Resort, wovon diverse Wanderungen ihren Start- und Endpunkt haben. Anika wurde es nach einigen Minuten ein bisschen zu urwaldig und wild auf dem Loerie-Trail entlang dem Fluss, sie entschied sich bei Hippo zu warten. Heike ignorierte die wenigen Spinnen, kam mit (es gab kaum Spinnen zu sehen) und meisterte sämtliche Kletterleistungen und Wasserüberquerungen geschickt – wenn auch hin und wieder mit ein paar Kraftausdrücken über den Zustand des «Weges». Belohnt wurde man mit vielen kleinen Wasserfällen und kristallklaren Wasserstellen, welche teilweise zum Baden geradezu einluden. Nach knapp zwei Stunden waren wir alle gut durchgeschwitzt und erschöpft wieder beim Auto. Das Fazit: definitiv eine lohnende Wanderung (so zumindest die Mehrheit der Familie).
Anschliessend ging es noch zum Resort-eigenen Aussichtspunkt über den Canyon, ein etwas andere Blickwinkel als vom gewohnten Aussichtspunkt aus und gefühlt nochmals näher über dem Blyde River und Damm. Das eigentliche Highlight gab es allerdings bereits auf dem Weg zum Start der Wanderung, noch im Auto: Wir entdeckten ein erstaunlich ruhiges Dassie (Klippschliefer) direkt neben der Strasse, welches auch nach unserem Anhalten direkt daneben gar nicht flüchtete, sondern gebannt in den Busch schaute. Wenige Sekunden später schnellte aus dem Busch am Wegrand etwas Graues und das Dassie war urplötzlich weg. An seiner Stelle erschien eine Schlange, eine stattliche, rund zweieinhalb Meter lange Black Mamba. Sichtlich gestört durch uns bei ihrer Jagd zeigte sie uns ihren Unmut, baute sich zischend auf und ging danach in unglaublich schnellem Tempo der Strasse entlang weiter und dann wieder ins Dickicht. Uff – wir waren alle froh, hatten wir zumindest noch eine Autotür zwischen uns und der Schlange!
Mit diesen Eindrücken ging es entlang der Sehenswürdigkeiten, um dann abends nach den vielen Stops und gutem Hunger uns im Restaurant von den Panorama Chalets in Graskop vollzuschlagen, nachdem wir bereits tags zuvor bei Abe’s im Glass House bereits ausgezeichnet speisen durften, und wir freuten uns alle bereits auf den letzten Teil der Reise, welcher absolut zu Recht als grosses Highlight geplant war! Nach zwei Tagen Safari-Abstinenz ging es für uns ins Sabi Sands Game Reserve in unsere Lieblingslodge Nottens Bush Camp.
Viel hatte ich meiner Familie schon von diesem ganz besonderen Ort mit den wunderbaren Mitarbeitenden, dem grossartigen Essen, den schönen Zimmern und natürlich den einzigartigen Tiersichtungen erzählt und umso glücklicher war ich, ihnen dieses Erlebnis in den nächsten Tagen auch zeigen zu können. Wir kamen bereits recht früh in Nottens an, wurden herzlich begrüsst, vom Staff willkommen (zurück) geheissen und konnten sogar bereits unsere Zimmer beziehen. Anschliessend genossen wir die Zeit am Pool und durch die frühe Ankunft fühlte es sich fast nach einem gesamten Tag vor Ort an.
Mit unserem Guide Wonder seinem Tracker starteten wir am späten Nachmittag zu unserem ersten Game Drive, für die wir zu fünft exklusiv ein eigenes Gamedrive-Fahrzeug hatten.
Auch bei diesem Aufenthalt liessen die ersten Highlights nicht lange auf sich warten. Spielende Elefanten Babys, Nashörner, Löwen- und Leoparden-Sichtungen auf fast jedem Gamedrive, eine African Wild Cat, ein Stachelschwein und Genet bei Nacht und fantastische Ausblicke inklusive spektakulären Sonnenuntergängen, um nur ein paar der Safari-Höhepunkte zu nennen.
Auch wurde von Wonder sehr sensibel auf die Spinnenangst von Heike reagiert. Nachdem wir das Thema anfangs adressiert hatten, kamen wir nicht einmal in die Nähe von Spinnen, die auch in diesem Gebiet deutlich mehr als gewohnt vorhanden waren, wenn auch bei weitem nicht so viel wie in Timbavati. Bei Offroad-Fahrten kam es mehrfach vor, dass Wonder einfach den Rückwärtsgang einlegte und eine leicht andere Route fuhr, weil eine Spinne im Weg gewesen wäre. So konnte auch Heike die Gamedrives voll geniessen.
Zwischen den Gamedrives genossen wir die Zeit zusammen am Pool, gönnten uns Massagen und liessen es uns einfach gut gehen. Wie auch in Pafuri, waren wir sehr froh drei Nächte in Nottens verbringen zu können, um den Ort wirklich voll und ganz auskosten zu können.
Das grosse Highlight sollte allerdings am letzten Abend seinen Anfang nehmen: Am Ende des Game Drives gab es anstatt einem Sundowner-Stopp mit Drinks ein Lagerfeuer im Busch, mit Braai und grosser Getränke-Bar, extra für uns und die anderen Gäste angerichtet. Vollends zufrieden nach diesem ausserordentlichen und guten Snack (es folgte ja noch das Abendessen in der Lodge) machten wir uns in der Dunkelheit wieder auf den Rückweg. Wenige Minuten nach der Abfahrt meldete sich per Funk der Wagen, der kurz vor uns zurückgefahren ist und Wonder gibt Gas: Die Löwen sind am Jagen. Direkt vor der Lodge. Wir hörten die Anspannung und Aufregung sogar im Funk. Wir hatten das Löwenrudel am Nachmittag noch ganz entspannt am Dösen gesehen, einige Kilometer entfernt von der Lodge. Als wir näherkamen, hörten wir auch den Ausgang der Jagd: Die Löwen waren erfolgreich. Ein Zebra wurde gerissen. Wir sahen zwar den letzten Moment des Kills nicht, aber die Guides meinten, dass sie nachts bei jagenden Katzen grundsätzlich das Licht und die Spotlights ausschalten würden, um die Tiere dabei nicht zu stören.
Noch nie waren wir bei einem solchen Ereignis dabei und entsprechend waren wir irgendwo zwischen aufgeregt, fasziniert, traurig, entsetzt und voll Adrenalin. Es war nicht leicht anzusehen, wie das Zebra bei lebendigem Leib auseinandergerissen und gefressen wurde – es wehrte sich am Boden liegend noch eine erstaunlich lange Zeit (mind. 15min), bis das letzte Leben aus dem Körper wich. Die wimmernden Laute, das Aufraffen, Zucken und Ausschlagen mit allen Beinen war selbstverständlich zwecklos. Zu diesem Zeitpunkt waren diverse Löwenmäuler schon blutverschmiert vom Abendmahl. Der Ort wo das Zebra gefasst wurde, war in der Tat keine 500 Meter von der Lodge entfernt: Es war genau unter dem Baum, wo Flo an demselben Mittag auf dem Bushwalk noch eine kurze Trinkpause gemacht hat.
Gebannt fotografierten, filmten, beobachteten und diskutierten wir den Vorgang. Wir waren bestimmt eine Dreiviertelstunde dabei, bevor wir uns losrissen und entschlossen, uns selbst ans Essen zu machen (wobei der Appetit erst wieder zurückkehren musste nach diesen Bildern im Kopf).
Mit diesem speziellen Erlebnis ging der letzte Abend in Südafrika zu Ende, aber selten war es so einfach, am letzten Morgen nochmals früh aufzustehen. Schliesslich wollten wir wissen, was aus dem Zebrariss und den Löwen geworden war. Die Guides waren sich sicher, dass sie mindestens bis zum Sonnenaufgang noch bleiben würden und irgendwann später zum Trinken an den Fluss (der nicht mehr auf dem Gebiet von Nottens liegt) müssten. Sie sollten recht behalten und wir fanden die Löwen gut gesättigt rund um das, was vom Zebra übrigblieb, was nicht viel war. Kaum mehr als ein paar Knochen und Haare waren die Überreste dieses Festmahles. Ein junges Löwenmännchen war noch am Knabbern oder wollte vielleicht auch einfach nicht, dass die Beute den Hyänen in die Fänge kam, welche nach und nach vereinzelt und mit Sicherheitsabstand die Lage beobachteten.
Wir beschlossen uns vorerst von der Stelle loszulösen, denn einerseits sollte sich vorerst wohl nichts ändern, andererseits drängten Fahrzeuge mit Gästen von anderen Lodges jetzt ebenfalls darauf sich zumindest die Löwen und Überreste von letzter Nacht anzusehen.
Zum Ende unseres Gamedrives baten wir Wonder anstelle eines Snacks & Kaffee, nochmals zur Stelle zurückzukehren und falls es nichts Besonderes mehr zu sehen gäbe, stattdessen lieber gleich im Camp richtig zu frühstücken. Er tat uns den Gefallen und dann überschlugen sich die Ereignisse fast im Minutentakt: Während die meisten Löwen wie vorhergesagt zum Fluss oder in den Schatten gingen, trauten sich Geier und Hyänen immer näher an den Kadaver, der nur noch von einem Löwen halbherzig verteidigt wurde. Eine Hyäne schafft es die Wirbelsäule mit Kopf des Zebrakadavers zu ergattern, eine andere folgte ihr. Die Hyänen jagten einander hinterher, stritten, rissen und kämpften um die Beute, bis diese in zwei Teile brach und beide mit etwa der Hälfte zufrieden Richtung Wasserloch trotteten.
Dort brachten beide Hyänen ihre Knochenüberreste ins Wasser, wo sie sich liegend und zufrieden ans Nagen machten. Dann schoss eine Hyäne plötzlich in die Höhe und war innert Sekundenbruchteilen wieder an Land: Ein Krokodil, welches sich die letzten Tage versteckt hielt und sich nie an diesem Wasserloch zeigte, war wie aus dem Nichts aufgetaucht, überraschte die Hyänen und schnappte sich den Zebraschädel. Die bestohlene Hyäne evaluierte die Lage und versuchte mehrfach, sich dem Krokodil anzunähern, um sich das Diebesgut wieder zurückzuholen, aber die Lage schien auch nach mehreren Versuchen ziemlich aussichtslos. Bis irgendwann aus dem einzelnen Busch der direkt neben dem Wasserloch und den Hyänen war, eine ausgewachsene Löwin sprang und dem Hyänen-Ärger ein Ende bereitete. In der ganzen Aufregung war es weder den Hyänen noch uns aufgefallen, dass im Busch weniger als 10 Meter von uns entfernt, die ganze Zeit eine Löwin schlief. Und es war keine aus dem Rudel, welche den Zebrakill hatten, was unschwer am dünneren Bauch erkennbar war.
Sie machte sich jetzt langsam auf in Richtung von den Geiern und Zebra-Überresten einige hundert Meter entfernt, wo zum Schock von uns ein Fahrzeug einer anderen Lodge gerade Kaffee & Frühstück veranstalteten und Gäste munter ums Auto spazierten oder hinter Büschen ihr Geschäft erledigten. Leicht panisch gab Wonder Gas, drängte sich zwischen Löwin und Gäste und schrie über Funk wie auch direkt die anderen Guides an, sofort ins Auto zurückzukehren. Diese folgten der Anweisung leicht verdattert, als sie plötzlich sahen, dass die Löwin nur noch gut 20 Meter neben ihnen und hinter unserem Auto neugierig vorbei spazierte (sie dachten, sie seien «safe» nachdem das Löwenrudel zum Trinken an den Fluss ging…). Wonder und Tracker hatten jetzt Zeit sich die Löwin genauer anzuschauen und meinten, dass sie zu einem Rudel gehörten, welchem vier ausgewachsene Löwinnen gehören, welche vor kurzem erst gerade insgesamt 13 Jungen hatten. Wenn eine der Erwachsenen hier sei, dann könnten die anderen nicht weit sein.
Also drehten wir wieder um und fuhren zurück zum Wasserloch und völlig überraschend warteten dort, wo vorhin Hyänen und Krokodil stritten, ein Haufen kleiner Löwenjungen brav und ruhig auf ihre Mamas. Als eine der Löwen-Mamas aus den Büschen auftauchte und zurück zum Wasserloch trottete, gab sie ab einer bestimmten Distanz ein Art Zeichen und dann rannten die Jungen, die vorher wie aufgereiht nebeneinander gewartet hatten, auf sie los. Was für ein Anblick – wir waren genau zwischen den Jungen und der Löwin. Wenige Zeit später tauchten aus verschiedenen Richtungen alle weiteren zum Rudel gehörenden Löwen auf und tranken am Wasserloch, bevor sie sich im Schatten eines Baumes direkt auf der Strasse platzierten.
Was für ein unglaublicher Morgen! Wären wir nicht dabei gewesen, hätten wir sowas wohl kaum geglaubt. Besser hätte die Safari wohl nicht Enden können, als wir anschliessend zum Frühstück zurückkehrten. So viel wie in diesen letzten Stunden haben wir sonst in ganzen Urlauben kaum gesehen – und das aus direkter Nähe. Dass wir Zeugen von etwas ganz Besonderem wurden, konnten wir auch daran erkennen, wie aufgeregt und freudig nicht nur wir, sondern auch Wonder und sein Tracker allen anderen von den Erlebnissen erzählen, ihre Fotos zeigten (selbstverständlich zückten bei diesen Bildern auch die beiden ihre Kameras) und die Freude mit uns teilten.
So verabschiedeten wir uns besten Erinnerungen von Nottens und fuhren zurück nach Johannesburg, wo wir bei Sibylle und Thomas nochmals einen letzten und entspannten Abend verbrachten, bevor es am nächsten Tag wieder zurück nach Frankfurt resp. in die Schweiz ging. Das Erlebte auf unseren beiden letzten Game Drives machte aus dieser Reise etwas ganz Spezielles auch für uns, nicht nur weil wir es mit der Familie teilen durften. Vielen Dank euch allen für das Mitlesen und Mitreisen, es war uns eine Freude, einmal mehr unser Südafrika und unsere Safari mit euch teilen zu können!
Liebe Grüsse,
Anika & Florian
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Heike (Montag, 03 Oktober 2022 11:26)
Liebe Anika, lieber Flo!
Tausend Dank für diesen und all die anderen so wundervoll geschriebenen Reiseberichte! Es ist kaum zu glauben, dass wir all das gemeinsam erlebt haben. Diese Reise hat mein Leben auf so vielfältige Weise bereichert, dass für mich feststeht: Ich war nicht das letzte Mal in diesem besonders eindrucksvollen Land. Danke für eure hervorragende Organisation, Hilfestellung und das Glück mit euch zu reisen zu dürfen❤️
Herzlichst Mama